Digitale Ratsarbeit in der Gemeinde
Freie Wähler lehnen Beschaffung von Tablets für Gemeinde-, Ortschaftsräte und Amtsleiter zum jetzigen Zeitpunkt ab!
In der Gemeinderatsitzung am 18.03.2021 befassten sich die Ratsmitglieder zum einen mit der Umstellung des Ratsinformationssystems der Gemeinde, zum anderen mit der Umstellung der eigentlichen Ratsarbeit auf digitale Form, wozu u.a. auch iPads beschafft werden sollten. Aktuell wird beim Ratsinformationssystem sowie dem Dokumentenmanagementsystem mit zwei verschiedenen Softwarevarianten gearbeitet, was bei der Pflege der beiden Systeme einen hohen zeitlichen Aufwand erfordert. Mit der Einführung des Moduls „Ratsinfo- und Sitzungsdienst“ der Fa. commundus regisafe GmbH könnten Arbeitsprozesse und die Vorbereitung für eine Gemeinderatsitzung erheblich beschleunigt und für die Verwaltung vereinfacht werden. Unisono war man sich im Rat einig, die Ratsarbeit zu digitalisieren. Bezüglich der Beschaffung von iPads für alle Gemeinde-, Ortschaftsräte und Amtsleiter (34 Tablets zum Stückpreis von 657,- €) signalisierten nicht nur die Freien Wählern größte Bedenken, gerade im Hinblick auf die aktuelle Finanzlage.
GR Bruno Sauer gab nachfolgende Stellungnahme ab:
„Herr Spanberger, werte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats, werte Zuhörerinnen und Zuhörer. Zunächst danke ich für die Darstellung des Programms Regisafe. Die Fraktion der Freie Wähler-Bürgerliste hat sich mit dem Thema digitale Ratsarbeit sehr intensiv und kontrovers auseinandergesetzt. Wir begrüßen Digitalisierung grundsätzlich. Aber die Wege und Zeitpunkte dorthin sind vielfältig. Alles mit Maß und Ziel gilt auch hier. Wir sind daher, was die Abstimmung angeht noch nicht festgelegt. Dass wir das Thema digitale Ratsarbeit inhaltlich noch nie im Rat ausgiebig diskutiert haben, ist für mich angesichts der im Raum stehenden Ausgaben von 45.000 € erstaunlich. Eine Vorberatung im Finanzausschuss erachte ich bei der Tragweite der Entscheidung als zu wenig. Mir fehlt das Konzept, wie die digitale Ratsarbeit avisiert ist und ein Datenschutzkonzept. Es sind noch viele Fragen offen und wir entscheiden bereits über die Anschaffung der Soft- und Hardware. So stellen sich z. B. exemplarisch folgende Fragen in Bezug auf die Tablets:
- Wie steht es um die Vereinbarkeit des Mandats, wenn ein Ratsmitglied trotz Mehrheitsbeschluss keine digitale Zusendung von Sitzungsunterlagen usw. über ein Tablet wünscht? Und was ist im umgekehrten Fall, wenn ein Ratsmitglied während der Nutzung des Tablets auf die analogen Sitzungsunterlagen umsteigen möchte. Kann es dann das Mandat nicht mehr ausüben?
- Ab wann gelten die Sitzungsunterlagen als fristgerecht zugestellt? Wenn die Verwaltung sie abgesendet oder der Adressat sie empfangen hat? Wie wird das jeweils, für wen nachvollziehbar, dokumentiert?
- Wie soll ein Ratsmitglied die Unterbrechung des Internets oder des Geräteausfalls nachweisen, wenn damit z. B. die Einladungsfrist tangiert würde?
Diese und andere Fragen sind noch nicht thematisiert worden. Durch die Corona-Pandemie stehen wir vor den schwersten wirtschaftlichen Herausforderungen seit Bestehen der Republik. Wir haben vielfältige „Baustellen“, die es zu finanzieren gilt. Wünschenswerte, notwendige, dringende und vordringliche. Schulen, Feuerwehrhäuser, Straßen, Lehrschwimmbecken usw., all diese Dinge sehe ich alle ausnahmslos vor der digitalen Ratsarbeit. Deren Einführung, zumindest was die Beschaffung der Tablets angeht, wäre m. E. nach Erstellung eines Konzepts ein Jahr vor der nächsten Kommunalwahl vom Zeitpunkt her nachvollziehbarer gewesen. Damit hätte man einen fließenden Übergang. Wir beschließen heute vermutlich die Anschaffung von Tablets. Das verkauft sich natürlich gut. Unsere Schülerinnen und Schüler sollten m. E. allerdings vor dem Gemeinderat mit Tablets ausgestattet werden. Die Schülerinnen und Schüler sind unsere Zukunft und sie müssen aktuell mit einer nie gekannten Situation zurechtkommen, in der Tablets hilfreich sind. Der Gemeinderat würde m. E. hier nicht vorbildlich und auch nicht sachgerecht handeln, würde er die Anschaffung der Tablets heute beschließen. Der Gemeinderat hat bislang mit dem, zwar schon immer nie vollständigen und nie einwandfrei funktionierenden Ratsinfo gearbeitet und ist damit irgendwie zurechtgekommen. Insofern ist zumindest der vordringliche Bedarf an Tablets für mich nicht zu erkennen. Wir produzieren nun Kosten von 15.000 € für das neue Ratsinfo und 30.000 € für „Tablets für alle“, ohne dass zunächst irgendetwas definitiv besser wird.
- Daher stellen sich weitere Fragen, wie z. B., ob diese Kosteninvestition sich in spürbarer Verringerung von Arbeitszeit bemerkbar macht?
- Sparen wir dadurch Stellen ein oder produzieren wir nur Mehrkosten? Ein solches System muss gepflegt werden, was weitere Kosten verursachen dürfte.
- Wie hoch sind diese Pflegekosten und wie hoch die der Personaleinsparung, wenn überhaupt?
Wie schon eingangs erwähnt, sind wir für grundsätzlich für Digitalisierung. Die Software Regisafe kann grundsätzlich nachvollzogen werden, wenn Sie die Arbeit der Verwaltung unterstützt und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen spürbar entlastet. Mehr Technik hilft bei zu wenig aussagekräftigen Sitzungsvorlagen allerdings auch nicht. Diese sind dann nur digitalisiert und schneller am Ratsmitglied. Der Inhalt wird davon nicht tangiert.
TOP 6.1 kann ich, da es einem Freifahrtsschein gleichkommt, nicht zustimmen.
TOP 6.2 (Anschaffung neues Regisafe-Modul) kann, da es unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung entlasten können, als Einstieg in die Digitalisierung befürwortet werden, wenn es hierdurch auch zu Einsparungen kommt. Damit wäre es wie bereits jetzt möglich, sich im Ratsinfo einzuloggen. Für eine Übergangszeit bis zur Beschaffung der Tablets, könnte man so ohne weiteres damit verfahren. Die Verwaltung wäre auch nur durch die Software bereits entlastet. TOP 6.3 (Anschaffung Tablets) kann ich derzeit angesichts der noch nicht ausgestatteten Schulen gegenüber dem Steuerzahler und vor allem gegenüber den Schülerinnen und Schülern sowie der nicht bestehenden Vordringlichkeit, nicht vertreten.“
Für die Freie Wähler-Bürgerliste e. V.
Reimund Metzger, Gemeinderat